Was kann ich der Erde geben?

Foto: Mohamed Nohassi / unsplash

Die Sorge um das Klima betrifft mehr als die Reduzierung des gefährlichen CO2. Wie müssen wir uns selbst ändern? Wie bilden wir eine Atmosphäre für die Erde? Ideen zu einer Klima-Tagung, die im Juni von der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland veranstaltet wird.

Von Monika Elbert

Die unübersehbaren Veränderungen in der Lebenssphäre der Erde wie Arten- und Waldsterben, Humusverlust, Grundwasserrückgang und Extremwetterverhältnisse rütteln an uns. Sie halten uns vor Augen, dass die Erde ein lebendiger Resonanzraum der Menschheit ist. Bei genauerem Betrachten kommen wir nicht umhin, uns für tiefere Schichten des Daseins zu öffnen und zu begreifen, dass in Wirklichkeit nichts in der Welt voneinander getrennt ist.

Wie können wir trotz der massiven Entfremdung von der Natur die Erde wieder als lebendigen Organismus begreifen und erfahren? Wie werden wir wach für unsere Entkoppelung von der Erde und die daraus resultierende, globale Beziehungskrise, die uns alle ausnahmslos betrifft? Wir leben als Menschheit in großem Ausmaß über unsere Verhältnisse, beuten die Erde aus, vergiften und verkaufen sie, vielfach ohne ihr Erkranken und ihr Absterben zu bemerken.

Ohne ein Bewusstsein von der Gesamtheit und vom Leben der Erde werden wir die Zukunft nicht bewältigen können. Es geht darum, dieses Lebensgebilde als Ganzes in den Blick zu nehmen und all unser Denken und Handeln danach auszurichten. Unsere Zukunft wird von unserer Fähigkeit abhängen, mit dem Leben als solchem zusammenzuarbeiten und uns mit anderen Menschen und in Menschengemeinschaften zu diesem Ziel zu verbinden.

Angesichts des Ausmaßes der Misere läuft uns die Zeit mit großen Schritten davon. Daher brauchen wir sicherlich lösungsorientierte politische und technische Maßnahmen. Aber ohne ein Wachwerden für die tieferen Lebenszusammenhänge, individuell, sozial und ökologisch, wird ein grundsätzlicher Wandel nicht einsetzen können. Gefragt ist ein Bewusstseinswandel hin zu einem Verhältnis zu uns selbst, das in der Liebe zur Erde gründet.

Bei diesem erweiterten Bewusstsein, welches die ganze Atmosphäre, also die Lebenssphäre der Erde, einbezieht, geht es nicht um ein bloß reflexiv-anschauendes Verhältnis. Vielmehr geht es um ein allbezügliches Bewusstsein, das vor allem den Anschauenden als Mitakteur einschließt. Es geht um ein aktives Erleben und Begreifen, dass die drei wesentlichen Entwicklungsfelder: das Individuelle, das Soziale und das Ökologische, integral ineinandergreifen müssen, um zu einem tatsächlich ganzheitlich-atmosphärischen Bewusstsein zu kommen. Neu dabei sind nicht die einzelnen Motive, sondern es ist das Erleben ihrer konstitutiven Zusammengehörigkeit. Denn erst dies führt zu einem Bewusstsein des Lebendigen, in dem nichts getrennt ist. Alles hängt mit allem zusammen, das Kleinste ist im Größten bereits enthalten und das Größte drückt sich im Kleinsten aus.

Auch kommt eine Erweiterung zu einem atmosphärischen Bewusstsein nicht ohne die Umstülpung unserer Denk- und Handlungsgewohnheiten aus. Wir werden unsere Fragehaltungen umzuwenden haben. Nicht: Was brauche ich? Was kann ich mir nehmen? Sondern: Was braucht die Welt von mir? Was kann ich der Erde geben? Wie kann ich mich zur Erhaltung des Lebenszusammenhangs in meiner Umgebungswelt einbringen? Das Innerste will nach außen und das Äußere nach innen gewendet werden.

Ein solcher Aufbruch würde möglicherweise auch aus der eigenen Isolation befreien, aus dem Festsitzen in sich selbst ohne lebendigen Weltbezug, wie es viele Menschen heute erleben. Sicherlich wird es in mancherlei Hinsicht spannend werden, was geschieht, wenn individuelle Verantwortung sich Bahn bricht für ein konkretes Handeln in der angedeuteten Weise. Wenn beispielsweise der Karma-Begriff aus der Zukunft verstanden wird, dass wir einmal selbst in den Konsequenzen unserer heutigen Handlungen leben werden. Insofern fordert die auf uns zuwachsende ökologische Krise eine spirituelle Formulierungskraft, die aus ihrer Tiefenschicht das Innerste des Menschen erreicht, um eine größtmögliche Verbindungs- und Beziehungsebene neu und bewusst zu bilden.

Die Klima-Tagung vom 14. bis 15. Juni 2024 am Dottenfelderhof will diese Gesichtspunkte vertiefen und der Frage nachgehen, welchen Beitrag die Anthroposophie für diese notwendige Transformation leisten kann. Welche Wege führen hin zu einem solch umfänglicheren Bewusstseinswandel? Denn ein Grundanliegen der Anthroposophie ist von je her die Umwandlung aller Verhältnisse zugunsten einer menschlicheren Welt. In ihrem Zentrum steht die Frage: Was ist der Mensch? Welches Potenzial birgt er und lässt sich befreien, wenn er sich selbstverantwortlich ergreift? Welche Bedeutung kann sich damit der Einzelne geben als Gestalter der Beziehungsverhältnisse auf Erden? Im Erfassen dieser Herausforderungen heute liegt für die Anthroposophie die Chance, zugleich sich neu zu formulieren, sich zu vernetzen und Bündnisse zu schmieden.

Der Dottenfelderhof mit seiner mehr als 50-jährigen biologisch-dynamischen Praxis zur Bildung eines Hoforganismus ist ein herausragender Begegnungsort für diese Fragen. Wir bauen sehr darauf, was zwischen Menschen passiert und auf die daraus sich bildende Aufbruchsstimmung. Denn inwieweit wir unsere Potenziale freilegen und über uns hinauswachsen können, wird letztlich die Dimension der Krise mitbestimmen. ///

Mehr Informationen zur Klimatagung hier.

Die Autorin ist Generalsekretärin der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland und Mit-Initiatorin der Klimatagung.

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