„Nicht anklagen sondern überzeugen!“

Aktiv gegen Pestizide: Safthersteller Stefan Voelkel

Bei Demeter-Getränkespezialist Voelkel ist Enkeltauglichkeit geradezu in der Firmen-DNA verankert. Bereits in der vierten Generation wird der Gründungsimpuls von Margret und Karl Voelkel weiterentwickelt. Für Stefan Voelkel wirkt die gemeinsame Initiative von Akteuren der Bio-Branche mit dem klaren Bekenntnis Ackergifte? Nein danke! dennoch wie ein Verstärker. Er sieht diese Aktion für eine enkeltaugliche Landwirtschaft als einen wichtigen Mosaikstein zur notwendigen Transformation unseres Wirtschaftens.

Stefan Voelkel, vier Ihrer fünf Söhne sind inzwischen Mitgestalter im Unternehmen. Wie viele Enkel haben Sie?

Meine sieben Enkel sind nicht nur eine große Freude, sondern die lebendige Aufforderung, dafür zu sorgen, dass es gut weitergeht in der nächsten Generation. Wenn meine Enkel Wasser trinken wollen oder Blumen gießen, stellt sich die Frage nach unserer Grundwasser-Versorgung. Wenn ich mit ihnen auf der Blumenwiese spiele, vermissen wir die bunten Schmetterlinge. Unsere Streuobstwiesen sind ein gemeinsames Erlebnisfeld und wir sprechen darüber, wie wichtig Insekten sind. Das haben mir schon meine Großeltern Margret und Karl vor Jahrzehnten erklärt, als es noch intensiv gesummt und gebrummt hat um unsere Obstbäume herum.

Was bedeutet „enkeltauglich“ für Ihr Unternehmen?

Unsere Aktion Ackergifte? Nein danke!, unser Einsatz für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, ist die Aufforderung, nicht nur zu klagen und zu lamentieren, sondern aktiv zu werden. Wir haben zum Beispiel bei uns in der Region zwei Bio-Streuobstvereine ins Leben gerufen und meine Frau hat in Hitzacker eine Solidarische Landwirtschaft mitgegründet. Wenn wir als Unternehmen Projekte für unsere Rohstoffe in aller Welt initiieren und begleiten, zeigen wir unseren Bauern und Bäuerinnen und auch ihren Nachbarn und Kolleg*innen, dass eine Agrarkultur ohne Gift nicht nur machbar, sondern erfolgreich ist. Global und regional nimmt dadurch die biologische Vielfalt wieder zu, wird der Boden lebendig, kann dank biodynamischer Präparate-Arbeit der Humusanteil wachsen, werden Luft und Wasser reiner, wachsen Lebensmittel, die diesen Namen auch verdienen.

Wirkt sich der Pestizid-Einsatz konventioneller Landwirtschaft auch auf Sie und Ihre Partner*innen im Obst- und Gemüsebau aus?

Aber ja. Gemeinsam müssen wir einen großen Aufwand betreiben, um sicherzustellen, dass keine Abdrift von Spritzmitteln auf unseren Flächen, auf dem Obst und dem Gemüse landet. Oft ernten die Anbauer*innen an den Rändern die Früchte gar nicht für uns. In den meisten Fällen ist in unseren Analysen, die von jeder Lieferung gemacht wird, nichts nachweisbar. Aber es gibt immer wieder Partien, die wir nicht verwerten können. Die Ackergifte aus der konventionellen Landwirtschaft verbreiten sich flächendeckend. Ein rückstandsfreier Bio-Anbau wird immer schwieriger. Es kann doch nicht sein, dass Bio-Bäuerinnen und -Bauern für Kontaminationen haften, die andere zu verantworten haben! Und natürlich reichern sich die Agrarchemikalien im Boden an, gelangen in Baumrinde, ins Grundwasser. Zu glauben, sie verflüchtigen sich, ist naiv. Deshalb fordern wir als Bündnis einen entschlossenen Wandel in der EU-Förderpolitik. Intensive Landwirtschaft mit all ihren Kollateralschäden darf nicht weiter finanziell unterstützt werden. Die Agrar-Lobby darf nicht darüber bestimmen, wie unser Essen und Trinken erzeugt wird.

Was kann jede*r Einzelne für die Enkeltauglichkeit tun?

Uns beflügelt mit der Aktion Ackergifte? Nein danke!, dass wir schon viele sind. Und wir wollen und müssen mehr werden. Mein Appell: Schließt euch uns an, als Verein, als Unternehmen, als Konsument*innen! Wir brauchen mehr, die unsere Initiative umsetzen. Wir Verbraucher*innen müssen uns jeden Tag beim Einkauf bewusst entscheiden, welche Lebensmittelwirtschaft, welche Agrarkultur wir wollen. Jeder Euro ist eine politische Entscheidung. Ich sehe unser Bündnis als eine transformierte Bürgerinitiative – gerade jetzt in Corona-Zeiten geht es darum, einen nächsten Schritt zur Enkeltauglichkeit zu machen. Das muss genauso unser Ideal sein wie Demokratie und Gerechtigkeit. Mir leuchtet der Spruch ein: „Der Verlust von Insekten wird mit einem Verlust von Liebe in der Gesellschaft einhergehen.“ Genau so sehe ich es. Deshalb wollen wir nicht anklagen, sondern überzeugen, Politik verändern, alle mit ins Boot nehmen. Wir haben einen Ansatz gefunden, Ohnmachtsgefühle in Umsetzungskraft zu verwandeln. Das leben wir seit Generationen, das geht kraftvoll und entschlossen weiter. ///

Dieses Interview erschien in der Oktoberausgabe der Zeitschrift info3 mit dem Titel Ohne Pestizide! Hier für 6,80 Euro bestellen und enkeltaugliche Landwirtschaft unterstützen.

Über den Autor / die Autorin

Renée Herrnkind