Flankiert durch ein Grußwort von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) haben das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München in Berlin eine neue Pestizid-Studie vorgestellt. Die Ergebnisse belegen die massive Verbreitung von Ackergiften weit über jene Gebiete hinaus, wo chemisch-synthetische Spritzmittel landwirtschaftlich verwendet werden. Sogar in abgelegenen Naturregionen wie auf dem Brocken im Harz wurden noch zwölf verschiedene Pestizide nachgewiesen. „Was Sie hier geleistet haben, hilft in der Debatte sehr“, so Svenja Schulze wörtlich zu den Initiator*innen der Studie.
Für die wissenschaftliche Untersuchung waren zwischen 2014 und 2019 an insgesamt 163 Standorten in ganz Deutschland Messungen vorgenommen worden. Spezielle Sammelbehälter, Filter aus Luftreinigungsanlagen sowie Bienenbrot und Baumrindenproben wurden auf Rückstände hin untersucht. Insgesamt fanden sich dabei 138 Stoffe, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen waren.
Konkret bedeutet das: Ackergifte sind nicht nur in den Böden, sondern auch in der Luft präsent und werden über Kilometer verbreitet – eine Risiko-Dimension, die bisher bei den Zulassungskriterien für Pestizide nicht oder nur ungenügend berücksichtigt wurde. „Glyphosat und andere Ackergifte verteilen sich als wahrer Pestizid-Cocktail bis in die hintersten Winkel Deutschlands“, fasst der Argrarexperte Karl Bär vom Umweltinstitut München zusammen. Die Ergebnisse sind dabei nicht nur wegen der gesundheitlichen Risiken relevant – Glyphosat wurde von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft – die Belastung von Boden und Luft auch weit abseits der behandelten Flächen schädigt auch die Interessen von Bio-Anbauern und Bio-Kund*innen, die rückstandsfreie Ware wollen. Immer wieder sind Bio-Firmen von Pestizid-Übertragungen betroffen, obwohl sie selbst keine solchen Mittel einsetzen. Boris Frank, Vorsitzender des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, forderte deshalb auch einen „Schadensausgleichs-Fonds“, durch den betroffene Bio-Betriebe entschädigt werden könnten.
„Die Studie schließt eine Wissens-Lücke. Dass sich Pestizide über die Luft verbreiten, ist besorgniserregend“, so Umweltministerin Svenja Schulze zusammenfassend in Berlin. Sie verwies als Gegenmaßnahmen auf die geplante Reduzierung von Pestiziden auf europäischer Ebene und den Ausstieg aus den Pestiziden in den nächsten 15 Jahren und die stärkere Förderung des Biolandbaus, deutete allerdings auch den bekannten Konflikt mit ihrer Kollegin Julia Klöckner vom Landwirtschaftsministerium in dieser Frage an. Dem ebenfalls anwesenden Bio-Unternehmer Stefan Voelkel geht dies nicht schnell genug: Die von der Politik in Aussicht gestellte Ausstieg dauere angesichts der Gefahren zu lange, sagte Voelkel, der als aktives Mitglied im „Bündnis“ mitwirkt. „Wir als Verbraucherinnen und Verbraucher können den Ausstieg durch den konsequenten Kauf von Biolebensmitteln wesentlich schneller gestalten.“
Stefan Voelkel sowie das „Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft“ und seine Akteure sind auch Thema der Oktoberausgabe der Zeitschrift info3, die auf der Pressekonferenz in Berlin mit der noch druckfrischen Nummer präsent war. Neben vielen Medienvertreter*innen erhielt auch die Umweltministerin ein persönliches Exemplar.
Die Schwerpunktausgabe von info3 „Ohne Pestizide!“ kann direkt beim Vertrieb