Neue Heldengeschichten auf dem Weg zu einer Finanzwende

Zum vierten Mal schon organisierte die GLS Treuhand in Kooperation mit der GLS Bank und der GLS Bank Stiftung ein Event zur Transformation des Geldes. Eindrücke vom Geldgipfel 2021.

Von Valeska Stach

Bereits zum vierten Mal seit der Gründung des Formats im Jahr 2014 haben die GLS Bank, die GLS Treuhand und die GLS Bank Stiftung einen „Geldgipfel“ veranstaltet. Unter dem Motto „Respekt oder Rendite“ hatte er bereits im letzten Jahr an den Start gehen sollen (info3 widmete der Tagung das Themenheft “Respekt oder Rendite”), Corona-bedingt wurde der Gipfel verschoben und fand nun am letzten Aprilwochenende online statt. An zwei Tagen kamen über 200 Menschen zusammen und versammelten sich vor den Bildschirmen, um gemeinsam aktuelle Fragestellungen zum Thema Geld zu bewegen.

Die GLS in Bochum arbeitet, wie sie selbst sagt, an den „Grundlagen einer Geldordnung, in der Geld als nachhaltiges, soziales und ökologisches Gestaltungsmittel wirkt und eine dienende Funktion für Wirtschaft und Gesellschaft wahrnimmt“. Das von ihr initiierte Forum versteht sich als ein Arbeitsprozess, der in Kooperation mit diversen gesellschaftlichen Akteur:innen stets weiterentwickelt werde.

Dass in Anbetracht einer sich ankündigenden Finanz- und Systemkrise dringend Handlungsbedarf besteht, zeigt sich verstärkt durch die aktuelle Corona-Situation. Aber wie können die bestehenden Strukturen transformiert werden – hin zu einer Ökonomie der sozialen Gerechtigkeit? In seinen einleitenden Worten zum „Ringen um unsere Zukunftsfähigkeit“ spricht Hermann Falk, Vorstand der GLS Treuhand und Moderator des Forums, über den Schriftsteller Heinrich Böll, der sich vor 50 Jahren „gegen alle Anfeindungen und Verleumdungen für eine gesellschaftliche Erneuerung unter dem Motto ‚Mehr Demokratie wagen‘“ eingesetzt hatte. Für Böll war dies notwendig, weil er die freiheitlich-demokratische Grundordnung als zerbrechlich ansah – was, so Böll, eintreten müsse, wenn „Erfolg und Gewinnsucht als gesellschaftliche Triebfedern ohne das Bewusstsein von Menschlichkeit zu Faktoren der Zerstörung“ würden.

Ein zunächst ungewohnter Farbton in einer Veranstaltung zum Thema Geld: In verschiedenen künstlerischen Beiträgen werden von Schauspielstudierenden der Alanus Hochschule Fabeln performt. Eine davon, die der griechische Dichter Aesop überliefert hat, erzählt die Geschichte vom Löwen, Fuchs und Esel, die gemeinsam auf die Jagd gehen. Sie erbeuten ein großes Tier und der Löwe befiehlt dem Esel, dieses gerecht unter ihnen zu verteilen. Als der Esel das erlegte Wild in drei gleich große Stücke teilt, wird der Löwe zornig und tötet den Esel. Daraufhin wendet er sich an den Fuchs und bittet ihn, zu teilen. Der Fuchs überlässt dem Löwen das gesamte Tier – denn er sei der König, der Herrscher über alle. Als der Löwe wissen will, wer ihn gelehrt habe, so weise zu teilen, antwortet der Fuchs: „Das Schicksal des Esels.“ Dieses simple Bild zeigt als starke Botschaft Machtstrukturen auf. Die Ungerechtigkeiten, die durch hierarchische Systeme, vor allem in der Finanzwelt, noch immer hingenommen werden, sind groß. Machtverteilung wird schließlich nicht nur durch Gewalt deklariert, sondern findet schon auf viel subtileren Ebenen statt.

Die Referentin des ersten Impulsvortrags versucht, mit uns das bestehende Finanzsystem neu zu denken. Die Polit-Ökonomin Maja Göpel befasst sich mit Nachhaltigkeitsfragen an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Von 2017 bis 2020 war sie Generalsekretärin eines Gremiums, das die Bundesregierung bei der Gestaltung globaler Transformationen zur Nachhaltigkeit berät. In ihrem lebendigen Vortrag lädt sie uns dazu ein, Geld als Beziehung zu verstehen – und als eine soziale Technologie. Gemeinsam hinterfragen wir den Sinn des Geldes, seine ursprüngliche Funktion und Intention. Wir stellen fest, dass es vom Menschen vor tausenden von Jahren als künstliches Objekt geschaffen wurde, um in einem realwirtschaftlichen Prozess als neutrales Tauschmittel von Waren zu fungieren. Das Medium Geld wurde als äquivalentes Handelsmittel gesellschaftlich akzeptiert. Inzwischen ist das Geld aber viel mehr als ein Zwischenmedium für den Warenumlauf. Es ist selbst zur Ware geworden. Seine Anhäufung und Aufbewahrung schuf das Zur-Ware-werden und letztlich die Kommerzialisierung eines eigentlich wertschöpfenden Neutrums. Geld ist also heute kein Mittel zum Zweck mehr und eben dieser Transit des Geldes hat unser gesamtes Verhältnis zur Welt stark geprägt. Nun ginge es so nicht mehr weiter, appelliert Göpel. Unser Finanzsystem brauche neue Heldengeschichten.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung werden weitere komplexe Themen bewegt. Von Referent:innen und Teilnehmer:innen wird unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen gefordert; Kapital müsse höher versteuert und Arbeitseinkommen müssten besser geschützt werden. In interdisziplinären Workshops werden Inhalte vertieft und Lösungen gesucht. Verschiedene konkrete Change Making- Initiativen bringen sich ein. Ihre Präsenz macht Hoffnung auf eine Wende im Finanzsektor, die vielleicht grundlegender Wegbereiter für eine globale Krisenbewältigung sein könnte.

Thomas Jorgberg, Vorstandssprecher der GLS Bank, spricht von Tabus unseres Finanzsystems und Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende fragt: Warum akzeptiert die Gesellschaft unsere Dauerkrise? Er wünscht sich eine „warme Handlungsfähigkeit“ und dass wir uns wieder „weich“ machen können.

In einem den Geldgipfel abrundenden Podiumsgespräch treffen unter anderem die Geschäftsleiterin der Stiftung Gemeinschaftsbank Viktoria Schwab und Helmy Abouleish von der ägyptischen Sekem Holding (CEO) zusammen und schauen das Konzept der Economy of Love an, die dort als leitendes Prinzip entwickelt wurde. In Sekem, wo Potentialentfaltung als Bestandteil einer agilen Unternehmenskultur mit an erster Stelle stehe, sei das Unmögliche möglich geworden und man glaube dort aus eigener Erfahrung an Wunder.

Auf die Frage, ob nun der Verstand oder das Herz wirtschaften solle, antwortet Moderator Nikolai Fuchs, Vorstandsmitglied der GLS Treuhand: „Unser Verstand sagt uns, dass wir eine Wirtschaft mit Herz brauchen.“


Hier wird der 4. Geldgipfel der GLS Treuhand im Internet dokumentiert.

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Redaktion info3

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