Kosmisches Bewusstsein

Autor Jochen Kirchhoff. Foto: info3

Jochen Kirchhoff, der sich mit den Rowohlt-Monographien zu Kopernikus, Giordano Bruno und Schelling einen Namen gemacht hat, befasst sich seit Jahren mit Naturphilosophie und Kosmologie. Dabei steht er meist in deutlichem Gegensatz zu herrschenden Lehrmeinungen. Auch in seinem jüngsten Buch Kosmos weist er die materialistische Astrophysik zurück und umreißt die Anschauung eines unendlichen, belebten und beseelten Universums, das dem Menschen wesensverwandt ist. Über seine ungewöhnlichen Ideen hat Jens Heisterkamp mit dem streitbaren Autor gesprochen.

Herr Kirchhoff, bei der Frage nach dem Ursprung des Universums gilt heute die Theorie des „Ur-Knalls“ als gesetzt. Am Beginn aller Entwicklung sei das Universum unvorstellbar klein zusammengedrängt gewesen in einer Art Ur-Atom, dessen Energie durch eine ungeheure Explosion freigesetzt wurde. Erst im Zuge dieser Ausdehnung entstanden dann Raum und Zeit. Sie bezweifeln das in Ihren Büchern und werfen die Frage auf: Wohin soll denn das Universum expandieren, wenn es den Raum noch nicht gibt?

Ja, das ist eine Grundfrage, wo hinein soll etwas expandieren? Dass der Raum selbst sich ausdehnen soll, ist für mich außerhalb jeder ernsthaften Diskussion. Es widerspricht allen menschlichen Erfahrungen und allem, was man in solider Weise denken kann. Auch viele Physiker sagen, dass dies letzten Endes eine nicht weiter erklärbare Annahme sei und man hier eigentlich den Bereich der Metaphysik betritt. Nicht zufällig ist die Urknall-Theorie übrigens in den 1920er-Jahren von einem katholischen Geistlichen und Astronomen, Georges Lemaître, in die Welt gebracht worden. Zuvor hatte der Astronom Hubble anhand der Spektralanalyse Beobachtungen an weit entfernten Sternen gemacht, die den Rückschluss zuließen: Je weiter entfernt die Objekte zu sein scheinen, umso stärker treten Rotverschiebungs-Werte auf. Aus diesen Messungen entstand dann die Idee eines sich ausdehnenden Universums. Was im Umkehrschluss bedeutet: Irgendwann muss es einen Nullpunkt dieser Ausdehnung gegeben haben, den Urknall. Eine Schlussfolgerung, die nie bewiesen wurde, weil sie von ihrem Wesen her auch gar nicht physikalisch beweisbar ist.

Eine weitere Grundannahme der heutigen Astrophysik ist die Existenz sogenannter Schwarzer Löcher. Und seit das neue James-Webb-Teleskop Daten sendet, heißt es ja sogar: Jetzt haben wir ein Schwarzes Loch fotografiert. Das ist doch sehr wirkmächtig, ein Foto eines Schwarzen Lochs, oder?

(Lacht) Ein Schwarzes Loch, selbst wenn es so etwas geben würde, kann natürlich per Definition nicht fotografiert werden! Auch kritische Physiker haben das eingewendet. Solche Fotos sind letztlich computergenerierte Darstellungen, komplex übereinandergelegte Konstruktionen. Man gibt bestimmte Parameter in eine Simulations-Software ein und erhält dann so eine farbige Darstellung. Die sogenannte Dunkle Materie ist eine Hilfs-Annahme, sie soll bestimmte Abweichungen bei den beobachteten Rotationsgeschwindigkeiten der Arme von Spiralgalaxien erklären, was mit Newton nicht gelingt. Also nimmt man als Ursache für diese Abweichungen eine unsichtbare Masse an, eben diese Dunkle Materie. An sehr vielen Stellen hilft sich die Astrophysik mit solchen Konstruktionen.

Ein anderes faszinierendes Thema der Astrophysik ist heute die Suche nach Leben in anderen Sonnensystemen. Von dem neuen James-Webb-Teleskop erhofft man sich da Durchbrüche. Wie sehen Sie das?

Ich vertrete die Idee eines durchgehend belebten, ja beseelten Universums und habe grundsätzlich mit der Idee von Leben außerhalb der Erde keine Probleme. Jedes Gestirn ist ausgerichtet auf eine höhere Organisation, auf das Lebendige und letzten Endes auch auf eine höhere Intelligenz. Die Frage, ob wir allein sind im Universum, ist für mich eine schwache Frage. Ich bin überzeugt, dass es allein in unserer Galaxie zahllose intelligente Wesen gibt, viel intelligenter als wir schlauen Erdbewohner.

Wie können wir uns diese vorstellen?

Meine These ist, dass in einem größeren kosmischen Verbund auch andere Wesen existieren, die ähnlich wie wir Menschen hier strukturiert sind. Und wir können zu ihnen auch in Kontakt treten – in manchen Momenten habe ich den Eindruck, sogar mit solchen Wesen in Kontakt zu sein. Natürlich muss ich damit rechnen, dass man mich für einen Spinner hält, wenn ich so etwas sage, aber ich bin ein Matador der All-Belebtheit.

Wie sieht denn diese Kommunikation bei Ihnen aus – glauben Sie, dass uns diese Wesen mit Raumschiffen besuchen?

Das glaube ich eher nicht. Das Technische ist hier bei uns auf der Erde aus bestimmten Gründen betont, mit diesen anderen Wesen kann es aber auf ganz andere Weise Kontakt geben. Ein Beispiel: Wenn Musiker große Musik schreiben wie Mozart oder Beethoven, dann haben sie Klänge eingefangen aus den Weiten der Galaxien; diese Musik ist nur von der Erde aus gar nicht möglich.

Also Begegnung im Sinne von Inspirationen, die empfangen werden?

So stelle ich es mir vor. Das Kosmisch-Göttliche ist unvorstellbar vielfältig. Alles ist belebt und ich bin sogar überzeugt, dass der unendliche Raum selbst die Weltseele ist, wie schon Giordano Bruno sagte.

Das steht im Gegensatz zur etablierten Astrophysik, die ja von einem unvorstellbar großen, aber eben doch endlichen Universum ausgeht.

Ich bin überzeugt, der Raum ist real unendlich, ein Reservoir unendlicher Energien. Wir sind nicht alleine, wir sind von geistigen Energien umgeben.

Der Raum ist also nicht nur ein leeres Dazwischen?

Nein, und auch kein reiner Behälter, in dem sich die Körper bewegen. Der Raum ist ein Meer von Bewusstsein. Es gibt viele Begriffe dafür, Akasha oder die Weltseele, ein Begriff, den schon Plato verwendet hat und später Schelling.

Vor diesem unendlichen Raum könnte es uns ja auch schaudern, weil wir verblassen angesichts unserer Bedeutungslosigkeit …

So ähnlich hat es wohl Pascal gesehen. Mir geht es aber ganz anders und ich möchte sogar sagen: Das Unendliche ist letztlich unsere Heimat, weil wir selbst geistige Wesen sind – ja, meine Heimat ist das Unendliche.

Die Weltseele wäre aber kein unvorstellbares Jenseits, sondern real im Kosmos anwesend?

Sie ist immanent und transzendent gleichzeitig, wie alles Göttliche. Es gibt keinen außerweltlichen Gott, das Göttliche ist immer außen und innen gleichzeitig – so hat es schon Giordano Bruno gesehen.

Sie skizzieren ein Bild, wo wir Menschen in einer mit uns verwandten Unendlichkeit existieren – haben wir, in aller Bescheidenheit, auch so etwas wie eine Aufgabe im Kosmos?

Es gibt im Kosmos natürlich unterschiedliche Systeme, uns ist vor allem das Sonnensystem zugehörig. Der Mensch hat zunächst einmal eine Beziehung zur Erde, dann zu unserem Sonnensystem. Es gibt aber auch andere Sternensysteme und zwischen diesen gibt es auch Hierarchisierungen, und in all das ist der Mensch eingeordnet. Bewusstsein heißt immer auch, in der kosmischen Verantwortung zu stehen. Alles ist im Wandel, auch evolutionär, im Kosmos. Galaxien werden sich auflösen, andere neu sich bilden – das ist offenbar ein Unendlichkeitsprozess. Das hat nie angefangen und wird nie aufhören. Und ein Bild für die Zukunft des Menschen wäre, dass er – wie auch im Buddhismus gelehrt wird – irgendwann nicht mehr inkarniert werden muss und dann in die kosmische Ordnung eingeht und wahrscheinlich seine eng begrenzte Ichhaftigkeit in eine höhere Region rückt. Ja, und vielleicht ist es so, dass wir Menschen kosmisch gebraucht werden; es kann sein, dass bestimmte Gestirne nur bestehen, wenn eine bestimmte Zahl an hoch ausgerichteten geistigen Wesen das ermöglichen, sonst können sie auch zerstört werden. Es kommt selten vor, aber es kommt vor, dass ein Gestirn zerstört wird.

Manches davon erinnert an die Darstellungen Steiners über die Planeten, den Tierkreis und höhere Wesen.

Darüber habe ich mich seinerzeit schon mit Professor Bodo Hamprecht in Berlin ausgetauscht, wir beide haben uns gut gekannt und gegenseitig gut verstanden. Er hatte mich auch als Referenten eingeladen zu seinen Seminaren an der FU. Umgekehrt habe ich ihn zuweilen als Gastreferenten in meinen Vorlesungen an der Humboldt-Universität eingeladen.

Was können wir tun, um stärker mit unserer kosmischen Dimension in Beziehung zu kommen?

Da gibt es viele Möglichkeiten, das meditative Moment natürlich, mantrische Dinge; oder das, was Goethe das anschauende Denken nennt. Und dann besonders wichtig: sich auch kundig machen, welche Sichtweisen zum Kosmos es im Unterschied zur geltenden Astrophysik gibt. Ich bin hier neben Giordano Bruno auch beeinflusst von dem Naturphilosophen und Kosmologen Helmut Friedrich Krause, der von 1904 bis 1973 lebte. Für mich liegt außerdem eine Möglichkeit in der großen Musik der Klassik.

Bei welchen Werken erleben Sie das besonders deutlich?

Bei Beethoven das Streichquartett Opus 132 oder in der 9. Symphonie, bei Mozart wären viele, viele Werke zu nennen, nicht nur die Symphonien, auch die Opern. Der Kosmos ist ja auch eine Klangwelt. Das Wort von der Sphärenharmonie ist keine bloße Rede, sondern eine Tatsächlichkeit. Das spiegelt sich in der Musik.

Das Problem ist ja, wenn man so wie Sie am anerkannten Modell der Weltentstehung zweifelt, wird man schnell als religiöser Fanatiker oder Spinner einsortiert.

Ja, damit muss man im Prinzip rechnen. Aber ich kann zeigen, wie die heutige Kosmologie auf bestimmten, im Grunde metaphysischen Annahmen beruht. Und in der Tat habe ich meine eigenen metaphysischen Grundannahmen und sage, wir sind als Menschen geistig-kosmische Wesen, die dem unendlichen Kosmos verwandt sind. Ohne diese geistig-spirituelle Dimension hätten wir keine Zukunft! ///

Dieses Interview erschien in der Oktoberausgabe 2022 der Zeitschrift info3.

Buchtipp: Jochen Kirchhoff: Kosmos. Gesammelte Essays, Oval Media Berlin 2022, € 18,-

Zur Person

Jochen Kirchhoff wurde 1944 geboren, arbeitete nach seinem Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik zunächst als Lehrer. Später lehrte er, angestoßen von Rudolf Bahro, Naturphilosophie an der Berliner Humboldt-Universität. Er ist Autor zahlreicher Bücher und hat einen eigenen Video-Kanal auf Youtube.

Über den Autor / die Autorin

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