An den Transit-Stellen Europas

Die Künstlerin Erika Möwius stellt im Museum Viadrina in Frankfurt/Oder aus.

Von Hans Bartosch

Erika Möwius gelingt es, nicht „von hier“ zu sein – und zugleich als Gegenüber ganz präsent. Dies gilt für ihre Person genauso wie für ihre Malerei, die sie unter anderem an der Kunsthochschule Ottersberg erlernte und vielfach im therapeutischen Kontext anwendete. 1965 geboren, stammt sie aus dem Banat, einer flachen Gegend, heute aufgeteilt zwischen Rumänien, Ungarn und Serbien. Fruchtbar zeigt sich dort der Boden. „Barilla“, der uns Pasta-Essenden hinlänglich bekannte italienische Weltkonzern, schwört auf die Böden des Banats. Ihre Kultivierung verdankt sich vielen Völkern. Die von Mosel und Rhein stammenden „Banater Schwaben“ spielten eine wichtige Rolle.

Die Familie der Künstlerin hat fast 200 Jahre als „Banater Schwaben“ in einem Dorf mit dem herrlichen Namen „Liebling“ gelebt. Liebling mit seinen innenliegenden, großen Bauerngärten hat die Künstlerin tief geprägt, auch wenn sie mit ihrer Familie im Jahr 1980, fast noch ein Kind, nach West-Deutschland fortzog.

Falschen romantischen Fantasien über das Banater Leben sei die Banater Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller empfohlen. Falschen westdeutschen Phantasien über das wilde, dauerklauende Rumänien sei die Banaterin Iris Wolff empfohlen, Trägerin des Evangelischen Buchpreises.

So, wie große Literatur an solchen Transit- und Bruchstellen Europas ihre Wurzeln hat, so auch die auffällige Kunst von Erika Möwius. Sie traut sich, figürlich, menschlich zu malen, also: konkrete Menschen. Menschen, die zu ihrer weiträumigen Familie gehören oder abgemalt sind von Fotografien, die deutsche Flüchtende der Jahre 1944/45 zeigen. Das Dorf Liebling auf der Flucht, einige gingen bis nach Amerika.

Die Ereignisse jener Jahre sind wie Meteoriten in alle Familien geschlagen: das wirkt bis heute. Meteoriten, die in jenen Außenposten und Transit-Stellen noch mächtiger die Böden und Seelen aufgewühlt haben.

Für Westdeutsche praktisch: Die Mauer wurde von der Ost-Seite aus hochgezogen. Wir lebten ein hübsches Leben zwischen München, Miami und Mallorca. Das Raue, Gewalttätige und Gärende blieb östlich draußen. Erst seit 1989 meldet es sich deutlich zurück, oft genug west-imperial abgekanzelt. In genau diesen Kraft- und Spannungsfeldern hat Erika Möwius in hoher Konzentration ihre Kunst entwickelt. Sie geht mit konkreten Menschen, ihren Menschen, darüber ins geistige und zugleich künstlerische Gespräch. Genau dieses Zum-Sprechen-Bringen verschafft ihrer Kunst eine seltene Tiefe und eine trans-moralische Wahrhaftigkeit, mit welcher sie in zerbrochenen Ordnungen die Glutkerne birgt.

Ihre Bilder glühen. Heilsam leuchtet etwas auf, was aus unser aller Kindheit scheint – und weiterzugeben ist.

Die Ausstellung Ihre Schatten – meine Geister. Kriegsenkelbilder von Liebe, Verlust und Gewalt ist vom 24. September bis zum 25. Januar 2024 zu sehen im Museum Viadrina
in Frankfurt an der Oder.

Von Hans Bartosch erschien im Info3 Verlag das Buch: Was noch erzählt werden muss. Zeitgeschichte am Krankenbett.

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