Misteltherapie verlängert Lebenszeit bei Lungenkrebs

Mistelstrauch Foto. Frank Meyer © Info3 Verlag 2018

Lungenkrebs (auch Bronchialkarzinom genannt) gehört zu den tödlichsten Erkrankungen überhaupt. Eine Studie an der anthroposophischen Klinik Havelhöhe bei Berlin macht jetzt neue Hoffnung.

Hauptursachen für den Lungenkrebs sind bekanntlich das Rauchen (inklusive Passivrauchen), aber auch Ernährungsfehler und Lebensstilfaktoren. Es erkranken vor allem Männer, während die Sonderform des sogenannten Nichtraucherkrebses (Adenokarzinom), die etwa 20 Prozent ausmacht, mehr Frauen betrifft.

In der Schulmedizin stehen eine ganze Reihe von Behandlungsmöglichkeiten für den Lungenkrebs zu Verfügung, die je nach Art, Stadium, Lungenfunktion, Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen der Betroffenen zur Anwendung kommen. Zu nennen sind hier insbesondere die operative Entfernung, die Chemotherapie und die Strahlentherapie. Zunehmend kommen auch neuartige Medikamente zum Einsatz wie die sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Dabei handelt es sich um Substanzen, die Immun-Checkpoints hemmen, worunter Strukturen auf der Oberfläche von Abwehrzellen (T-Lymphozyten) verstanden werden, die Entzündungen fördern oder hemmen können. In der Krebstherapie werden entzündungshemmende Checkpoints blockiert, wodurch Abwehrreaktionen gegen den Tumor unterstützt werden.

Misteltherapie: Unkonventionelle Methoden

Dennoch sind die Behandlungsergebnisse oft unbefriedigend, was zum Teil an der bereits erwähnten späten Diagnosestellung liegt, aber auch an der Neigung zu Absiedelungen des Krebses in anderen Organen wie Gehirn, Leber oder Knochen. Daher stellt sich beim Lungenkrebs ganz besonders die Frage, mit welchen unkonventionellen Methoden die herkömmlichen Therapieverfahren ergänzt werden können. In der Anthroposophischen Medizin haben sich vor allem Zubereitungen aus der weißbeerigen Mistel (Viscum album) bewährt, die auch bei anderen Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. Mistelextrakte stärken die Selbstheilungskräfte einschließlich der Funktionen des Immunsystems, welche der Abwehr von Krebszellen zugrunde liegen, und üben zugleich eine hemmende Wirkung auf Tumore aus, deren Zellen sie auf unterschiedliche Weise zum Absterben bringen können.

Viele Ärzte konnten sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit der Misteltherapie und durch Fallberichte von Kollegen von der positiven Wirkung der Misteltherapie auch bei Lungenkrebs überzeugen. Häufig bessert sich die Lebensqualität unter einer Misteltherapie, wodurch sowohl krankheitsbedingte als auch Nebenwirkungen der schulmedizinischen Therapien abgemildert werden oder verschwinden. Bei Patienten, die sich regelmäßig und über eine längere Zeit Mistelpräparate spritzen (zumeist zwei- bis dreimal in der Woche) lassen sich immer wieder positive Krankheitsverläufe im Hinblick auf die Lebenserwartung, die anhaltende Tumorfreiheit sowie die Freiheit von Absiedelungen (Metastasen) beobachten.

Seit vielen Jahrzehnten versuchen Ärzte, welche die Misteltherapie erfolgreich einsetzen, diese Erfolge auch statistisch zu belegen. So hatte der bekannte Wiener Chirurg Professor Dr. med. Georg Salzer in den 1980er und 1990er Jahren Studien vorgelegt, aus denen zwar positive Effekte des Mistelpräparates Iscador auf den Krankheitsverlauf beziehungsweise die Tumorfreiheit hervorgingen, die jedoch unter anderem aufgrund methodischer Schwächen nicht in der Lage waren, die Fachwelt zu überzeugen. Weitere Studien über die Misteltherapie beim Lungenkrebs erbrachten positive Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Linderung von schulmedizinischen Therapienebenwirkungen.

Hoffnungsvolle Studie an der Klinik Havelhöhe

Eine neue Publikation vom 27. August 2018 in der angesehen Wissenschaftszeitschrift Plos one lässt nun aufhorchen. Sie beschäftigt sich mit einem in der Mediziner-Fachsprache zunächst schwer verständlich klingenden Problem: der Überlebensanalyse des sogenannten Nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms im Stadium IV additiver Misteltherapie. Unter dem Begriff „Nichtkleinzelliger“ Lungenkrebs werden alle Formen bis auf den hoch bösartigen Kleinzelligen Lungenkrebs zusammengefasst. Es handelt sich um 85 Prozent aller Lungenkrebs-Fälle. Stadium IV bedeutet, dass bereits Metastasen vorliegen, und eine Chemotherapie, gegebenenfalls auch eine Bestrahlung nur noch unter palliativen (lindernder) Zielsetzung zur Anwendung kommt, ohne dass eine Heilung im Sinne der Tumorfreiheit angestrebt wird. In den Statistiken wird das Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an dieser Erkrankung zu sterben, mit 99 Prozent angegeben.

Diese Datenbankanalyse wurde vor allem von leitenden Ärzten im anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe durchgeführt. Insgesamt waren die Daten von 158 PatientInnen im Stadium IV auswertbar, die in verschiedenen Turmzentren behandelt wurden. 108 Betroffene hatten lediglich die herkömmliche Therapie (Chemotherapie, gegebenenfalls zusätzlich Bestrahlung) erhalten, während 50 in den Genuss einer zusätzlichen Misteltherapie kamen. Dabei wurden die bewährten Arzneimittel Abnobaviscum, Helixor und Iscador eingesetzt.

Die Auswertung der Überlebenszeit erbrachte einen deutlichen Effekt der Misteltherapie. Patienten im Stadium IV von Lungenkrebs, die mit einer Kombination aus Schul- und Misteltherapie behandelt wurden, zeigten in der vorliegenden Studie das längste Überleben. Der Mittelwert für das Gesamtüberleben in der kombinatorischen Behandlungsgruppe (Chemotherapie, gegebenenfalls Bestrahlung plus Mistel) betrug 17 Monate. Im Vergleich dazu lag in der Patientengruppe, die keine Mistelspritzen erhalten hatte, der Mittelwert für das Überleben bei acht Monaten. Nach einem Jahr waren in der „Mistelgruppe“ noch 60,2 Prozent am Leben gegenüber 35,5 Prozent in der Kontrollgruppe. Die Drei-Jahres-Überlebensrate betrug für die „Mistelpatienten“ 25,7 Prozent gegenüber 14,2 Prozent in der Kontrollgruppe, die nur herkömmlich behandelt wurde. Insgesamt konnte die Sterblichkeit durch die additive Misteltherapie um 56 Prozent gesenkt werden.

Dieses positive Ergebnis motiviert hoffentlich viele Ärzte, auch solche, denen die Anthroposophische Medizin neu oder noch fremd ist, die Mistelpräparate einzusetzen oder aber ihre Patienten an entsprechend qualifizierte Kollegen zu überweisen. Zugleich lässt die Lungenkrebs-Studie auf weitere Studien hoffen, welche diese Ergebnisse untermauern und den Nutzen der Misteltherapie auch bei anderen Krebsarten darstellen.

Zuletzt hatten in den vergangenen fünf Jahren klinische Forscher und Ärzte unter der Federführung von Dr. Wilfried Tröger mit Publikationen zur Wirksamkeit der Misteltherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom Furore gemacht. Hier hatte sich gegenüber der Kontrollgruppe unter Mistelbehandlung die Überlebenszeit in Mittel fast verdoppelt bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität. Vielfach höre ich Enttäuschung darüber, dass die Misteltherapie bisher nicht in dem Maße „das Chirurgenmessers bei den Geschwulstbildungen“ ersetzen konnte, wie Rudolf Steiner das 1920 in seinem ersten Vortragskurs für die Ärzte (GA 320, Vortrag vom 2. April 1920) gefordert hatte. Die erstaunliche Wirksamkeit der Mistel bei fortgeschrittenen inoperablen und hoch aggressiven Krebserkrankungen wie dem Bauchspeicheldrüsenkrebs und dem Lungenkrebs zeigt jedoch, dass sie vielleicht sogar noch mehr kann, als ihr viele zugetraut haben. ///

 

Schad F, Thronicke A, Steele M, Matthes B, Grah C, Merkle A, Matthes H: Overall survival of stage IV non-small cell lung cancer (NSCLC) patients treated with Viscum album L. in additon to standard care, in: PLOS ONE 2018. 

 

Ein Link zur Arztsuche ist auf der Homepage des Dachverbandes Anthroposophische Medizin in Deutschland zu finden.  Dort gibt es auch weitere wichtige Infos zur Anthroposophischen Medizin, über Anthroposophische Krankenhäuser und künstlerische Therapien.

 

 

Über den Autor / die Autorin

Frank Meyer

Dr. med. Frank Meyer ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur. Niedergelassen als Anthroposophischer Hausarzt in Nürnberg. Seminar- und Vortragstätigkeiten, Bücher und Artikel in Fach- und Publikumszeitschriften zu den Schwerpunkten Selbstregulation, Integrative Medizin und Naturheilverfahren.