Hier ist Reden Gold

Prof. Dr, Ulrike Guérot / Foto: privat

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot zählt zu den renommiertesten Kritikern der Pandemie-Maßnahmen. Jetzt hat sie ihre Gedanken in Buchform herausgebracht.

Dass Reden Silber sei und Schweigen Gold, ist eine sprichwörtliche Weisheit, die oft zutreffen mag – aber nicht immer. Ulrike Guérot hat einen Essay* vorgelegt über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen, den ich schlicht allen empfehlen möchte. Allen, die mein frühes und dann durchgängiges Unbehagen am politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Corona nicht verstehen konnten, allen, die meinten, mich beim Verwenden von Argumenten vor Kontaktschuld warnen zu müssen, vor allem aber allen, die kein Problem mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und den Eingriffen in die Grundrechte hatten und haben.

Nach über zwei Jahren sind wir Corona und der Auseinandersetzung damit längst überdrüssig. Aber gerade jetzt ist es dringend notwendig, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Ohne sich in Details zu verzetteln, zeigen der erste und zweite Teil ihres Buches mit den Titeln Wo wir stehen und Was passiert ist, wie Propaganda und Sprachverwirrung, bis hin zur partiellen Entmündigung, zur Verformung der Demokratie führten. 

„Die Gefahr des ‚Beifalls von der falschen Seite‘ ist nicht nur das falsche Argument, es ist das totalitäre Argument, wusste schon Hans Magnus Enzensberger. Sonst überlässt man anderen die Kontrolle darüber, was man selbst denken darf.“ Ulrike Guérot selbst wurde erst vor der „Kontaktschuld“ gewarnt und dann mit einem medialen Shitstorm überzogen. In einem Interview mit der NZZ wird sie gefragt, ob ihre Kritik nicht zu scharf formuliert sei und antwortet: „Es ging uns darum, unsere Argumente und die Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen in die leitmediale Mitte zu holen. Wir erfuhren immer Ablehnung. Mir persönlich wurde ein Forschungsantrag zu einem europapolitischen Thema abschlägig beschieden – mit Verweis auf meine Haltung zu Corona.“

Und weiter: „Aus Querdenken, Kraftquelle jeder Demokratie, wurde etwas Schlechtes. (…) Die Welt vereindeutigte sich in fast mittelalterlicher Weise in Gut und Böse. (…) Schlimmer als der praktizierte Konformismus derjenigen, die gerne und aus Überzeugung mitmachten, war der heuchlerische Konformismus von vielen, die das alles zwar nicht gut fanden, aber nach außen trotzdem mitmachten. Wer schweigt, stimmt zu heißt dieser Essay darum.“

Ja, mag man sagen, es war damals vielleicht in der Panik auch zu Ungerechtigkeiten und falschen Bezichtigungen gekommen, aber das ist ja schon lange vorbei, nicht wahr? Leider nicht. Ihr Essay wurde Anfang Januar 2022 von dem österreichischen Verlag, für den sie ihn ursprünglich geschrieben hatte, abgelehnt, weil man befürchtete, den Reaktionen in den sozialen Medien nicht Herr werden zu können. „Im medialen Coronageschehen gab es die Helden (Faktenchecker) und die Anti-Helden (Schwurbler) und dazwischen nichts. Die Neutralisierung der Kritik ist aber phänotypisch für Diktaturen, nicht für Demokratien“, schreibt Guérot. Das sieht inzwischen sogar der Nationale Ethikrat so. Es sei die Aufgabe von Massenmedien, „das strittige Für und Wider von Maßnahmen“ hör- und sichtbar zu machen. „Der kritische Teil dieser Aufgabe“ sei zu Beginn der Corona-Krise nicht immer im wünschenswerten Maß erfüllt gewesen“, so der Ethikrat in seinem neuen Papier Vulnerabilität und Resilienz in der Krise.

Im dritten Teil Was wir jetzt machen stellt die Autorin das Thema in einen schier atemberaubend weiten dystopischen Horizont des transhumanistischen Zustandes unserer Zeit, um dann in eine zur kraftvollen Veränderung aufrufende Utopie zu münden. Ich bin Ulrike Guérot dankbar dafür, dass sie nicht schweigt. Hier ist Reden Gold.

* Ulrike Guérot: Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit. Und darüber, wie wir leben wollen. 144 Seiten, Euro 16.-.

Über den Autor / die Autorin

Johannes Denger

Johannes Denger ist Heilpädagoge, Waldorflehrer und Info3-Autor.

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