Waldorfpädagoge und Fundraiser: zum Tod von Hansjörg Hofrichter

Hansjoerg Hofrichter. Foto: © Silke Mondovits, Info3 Verlag
Hansjoerg Hofrichter. Foto: © Silke Mondovits, Info3 Verlag

Am 1.Dezember 2018 verstarb nach längerem Krebsleiden Hansjörg Hofrichter, der ehemalige Geschäftsführer der Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen.

Hansjörg Hofrichters Tod hat mich tief berührt, weil er zu den wichtigsten Förderern meines Filmschaffens der letzten zehn Jahre gehörte, der während dieser Zeit auch ein Freund geworden ist. Ohne seine unermüdliche Tatkraft hätten meine Filme „Abenteuer Anthroposophie“, „Das kreative Universum“ oder „Zeige deine Wunde“ (über Joseph Beuys) nicht entstehen können. Anders als herkömmliche Fernsehredakteure in Deutschland hatte Hofrichter einen Sinn für spirituelle Filmthemen und war maßgeblich daran beteiligt, Vorurteile gegenüber diesem Medium in der anthroposophischen Szene abzubauen. Er ermöglichte es mir, 2007 den ersten abendfüllenden Dokumentarfilm über Rudolf Steiner zu drehen und ich erinnere mich noch gut an gemeinsame Besuche im Goetheanum sowie bei Götz Werner und Peter Schnell, dem Chef der Software-AG-Stiftung.

Für den Film „Das kreative Universum – Naturwissenschaft und Spiritualität“ unternahmen wir sogar zusammen eine längere Reise in die USA, um u.a. die vatikanische Sternwarte auf dem Mount Graham und den Chef-Astronomen des Papstes, Prof. George Coyne in Tucson/Arizona zu besuchen. Auf langen Autofahrten konnten wir unsere Freundschaft bei intensiven Gesprächen vertiefen und erlebten außerordentliche Dinge zusammen, etwa bei der langen Auffahrt zur Spitze des Mount Graham, der in einem Sperrbezirk lag, zu dem wir nur Zutritt mit einer Sondererlaubnis bekamen. Oben erwartete uns nicht nur die Vatikanische Sternwarte, in der Priester-Astronomen in den Kosmos blicken, sondern auch das „Large Binocular Telescope“, eines der größten Observatorien der Welt.

Als wir die Halle mit den beiden gigantischen Spiegelteleskopen betraten, die in entfernteste Galaxien blicken können, überkam uns beide eine Ehrfurcht, die durchaus auch spirituelle Empfindungen beinhaltete. Als ehemaliger Waldorflehrer für Mathematik und Chemie hatte Hofrichter nach der Lektüre des Drehbuches von „Das kreative Universum“ sofort verstanden, warum gerade heute eine Brücke zwischen Naturwissenschaft und Spiritualität wichtig ist. Und so unterstützte er mich mit allen Kräften, als ich so spannende Interviewpartner wie Arthur Zajonc, Rupert Sheldrake, Hans-Peter Dürr, Wolfgang Schad und Bernd Rosslenbroich um mich versammelte, die alle eine große Offenheit für spirituelle Aspekte etwa von Biologie und Physik bekundeten.

Auf der Drehreise durch die USA zeigte auch ein ganz besonderes Erlebnis etwas von Hofrichters Humor, Menschenfreundlichkeit und Abenteuerlust. Auf der Suche nach einem Indianermuseum in Arizona waren wir vom Weg abgekommen und gerieten auf eine endlose Straße, die ins Nichts zu führen schien. Weite Naturpanoramen ohne eine Menschenseele breiteten sich aus und Hofrichter, der schon öfter in dieser Landschaft gewesen war, meinte bald, dass wir in einem Indianerreservat gelandet seien und die Straße irgendwann versanden würde.

Tatsächlich wurde nach einiger Zeit die Straße immer enger und hörte schließlich auf. Wir kehrten um und wurden bei der Rückfahrt von einem jungen übereifrigen indianischen Ranger angehalten, der uns ruppig fragte, was wir in diesem Gebiet suchten. Die Erklärung mit dem Indianermuseum ließ er nicht gelten und brachte uns in eine Baracke, wo wir seinem Chef, einem alten Indianer mit schwarzen langen Haaren, gegenübergestellt wurden. Der allerdings war nicht so streng, akzeptierte unsere Erklärung und erzählte, dass auch er einmal in Deutschland gewesen sei, wo doch das beste Bier der Welt gebraut würde.

Als die Atmosphäre langsam an Spannung verlor, zückte Hofrichter einen seiner alten Zwei-Dollar-Scheine, von dem er mir vorher erklärt hatte, dass sie eine Rarität darstellten, die man gut in Krisensituationen verwenden könnte. Er schenkte sie dem Häuptling, der uns mit einem breiten Lächeln entließ und dabei den jungen Ranger darauf hinwies, in Zukunft nicht so übereifrig mit Fremden zu verfahren.

Hofrichter war ein lebenskluger und erfahrener Mann gewesen, eher ein Macher und Pragmatiker, als ein in sich gekehrter philosophierender Anthroposoph. Und doch hatte gerade er einen Sinn für die spirituellen Dimensionen meiner Filme, die er jahrelang tatkräftig unterstützte, ohne sich inhaltlich in irgendeiner Form einzumischen. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein und freue mich – trotz meiner Trauer – über die aufsteigenden Erinnerungen an viele gemeinsame Erlebnisse, die ich mit ihm teilen konnte.

Über den Autor / die Autorin

Rüdiger Sünner

Rüdiger Sünner lebt als Filmemacher, Musiker und Autor in Berlin.