Tobi Rosswog – leben (fast) ohne Geld

Tobi Rosswog (29) setzt sich als Aktivist, freier Dozent, Autor und Initiator für die sozial-ökologische Transformation ein – hin zu einer Gesellschaft jenseits von Arbeit, Eigentum und Geld. Beim Geldgipfel von GLS Bank und GLS Treuhand Ende April leitet er einen Workshop.

Sie reisen viel alleine für Ihre Tätigkeit als freier Dozent, aber Sie leben gerne in Gemeinschaft. In welcher Form tun Sie das und warum?

Im Grunde lebe ich verschiedene Formen der kollektiven Verbundenheit. Einmal vor allem finanziell in unserer gemeinsamen Ökonomie, wo wir mit fünf Leuten zwischen 20 und 60 Jahren all unser Geld teilen oder im Projekthaus, wo wir politische Kampagnen, Projekte und Aktionen planen sowie mit einem Leben frei von Herrschaft experimentieren. Diese utopischen Freiräume sollen andere Selbstverständlichkeiten jenseits von Eigentum, Arbeit, Geld und Tauschlogik ermöglichen. Jede und jeder gibt und nimmt also nach eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten.

Mit welcher kleinsten Veränderung im Leben können Menschen die tiefgreifendste Wirkung in Richtung einer derartigen Lebensform bewirken?

Wunderbare Frage! Meine Antwort: Anfangen, sich kollektiv zu organisieren, auch wenn das ziemlich anstrengend sein kann. Denn es ist wirklich wichtig und bereichernd für alle, wenn man füreinander da ist und jede*r spürt: Ich bin nicht allein – sei es beim Geldteilen, gemeinsam Projekte durchführen oder einfach nur beim Dasein. Die Erfahrung solidarischer Bezugsgruppen ist ein großartiges Geschenk, das motiviert und hilft zu begreifen, dass wir viel mehr sind, als wir denken.

Gibt es Momente im Zusammenleben, die Sie regelmäßig aus der Reserve locken? Was an Ihrer Lebensform bildet für Sie persönlich die größte Herausforderung?

Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch mit durchaus manchmal zu viel Tatendrang und einem Hang zum übertriebenen Optimismus. Diese Kombination kann Menschen echt überfordern (lacht).

Wie ist es ganz praktisch möglich, die eigene Lebensform nicht als Gegensatz zur restlichen Welt zu kultivieren, also nicht in Frontendenken zu verfallen?

Sie als gewisse Art von Gegensatz und Gegenbeispiel zur aktuell vorherrschenden, zerstörerischen Normalität zu verstehen ist sicherlich nötig. Das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass daraus Fronten entstehen. Für mich ist es wichtig, mich selbst nicht arrogant und überheblich mit dem moralischen Zeigefinger als die alternativste Person überhaupt darzustellen. Nein, es geht vielmehr darum, durch meine gelebte Praxis den Status Quo in Frage zu stellen. Ich will Menschen anregen, andere Selbstverständlichkeiten auszuprobieren.

Auf welche Lebensfrage wüsstest Du gerne die Antwort?

Dabei halte ich es mit den Zapatistas, einer indigenen Widerstandsbewegung in Südamerika: Fragend schreiten wir voran. Die eine Antwort für alle für immer wird es wohl nicht geben.

Hier geht’s zum Geldgipfel 2021 mit allen Informationen und Anmeldemöglichkeit.

Über den Autor / die Autorin

Alexander Capistran

Alexander Capistran studierte Philosophie in Berlin, an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues und an der Universität Witten/Herdecke. Er
arbeitet als Organisationsentwickler bei Gravitage.org und als
Publizist, lebt bei Dresden und promoviert über die Philosophie der
Mobilität. Seit Januar 2021 ist er Mitarbeiter in der info3-Redaktion.