Pestizid-Kritiker vor Gericht

Agrar-Experte Karl Bär und Buchautor Alexander Schiebel. Foto: Jörg Farys

Weil sie den exzessiven Einsatz von Pestiziden beim Obstanbau in Südtirol angeprangert haben, stehen jetzt ein Buchautor und ein Agrar-Experte des Deutschen Umweltinstituts vor Gericht. Der Ausgang ist ungewiss.

Im Jahr 2014 haben einige mutige Südtiroler den Versuch unternommen, Pestizide per Volksentscheid aus ihrer Gemeinde Mals zu verbannen – mit Erfolg, wie ein Abstimmungserfolg von 75 Prozent zeigte. Aber konventionelle Anbauer klagten gegen das Ergebnis – und bekamen Recht. Das „Wunder von Mals“ war nur von kurzer Dauer, erreichte aber dennoch weite Aufmerksamkeit – auch durch das 2017 erschienene Buch von Alexander Schiebel Das Wunder von Mals (inzwischen auch als DVD), in dem der hohe Pestizideinsatz im Südtiroler Obstanbau heftig und teilweise polemisch kritisiert wird. Rund jeder zehnte in Europa geerntete Apfel kommt aus Südtirol. Bei der Sortenwahl setzt die überwiegend konventionell arbeitende Südtiroler Apfelwirtschaft auf wenige, oft für Pilzerkrankungen anfällige Sorten wie „Golden Delicious“ oder „Gala“. Diese beiden Sorten machten im Jahr 2017 rund die Hälfte der Anbaufläche aus – eine Monokultur, die einen hohen Einsatz von Pestiziden benötigt. In Südtirol wurden laut italienischem Statistikamt ISTAT im Jahr 2018 sechs Mal mehr Pestizide verkauft als im landesweiten Durchschnitt.

Dass Kritik an diesem konzentrierten Einsatz Ackergiften riskant sein kann, hat sich jetzt gezeigt: Sowohl der Autor von Das Wunder von Mals als auch der Oekom Verlag, in dem das Buch erschienen ist, sehen sich aktuell einer Klage der Landesregierung von Südtirol ausgesetzt: Passagen des Buches seien rufschädigend gegen die Tiroler Obstbauern, heißt es, Autor und Verlag müssen sich wegen übler Nachrede rechtfertigen. Auch der Agrarexperte des Münchener Umweltinstituts Karl Bär muss sich in Südtirol vor Gericht verantworten, weil er im Rahmen einer Plakatkampagne den hohen Pestizideinsatz in Südtirol angeprangert hatte. Zuvor war auch bereits der Bürgermeister von Mals gerichtlich belangt worden, weil er die Volksabstimmung überhaupt zugelassen hatte.

Im Falle einer Verurteilung droht allen Angeklagten nicht nur eine Geldstrafe, sondern sogar der finanzielle Ruin, denn die mitklagenden Landwirte könnte dann Schadensersatzforderungen geltend machen. Auf einer Pressekonferenz in Bozen am 8. September zeigten sich die Beschuldigten zuversichtlich, dass in einer demokratischen Gesellschaft Meinungsfreiheit nicht unterdrückt werden könne.

Mehr zum Thema Pestizide in der Oktoberausgabe der Zeitschrift info3.

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