Masken spreaden

Wie viele Mund-Nasen-Schutze (MNS) können Sie in einer halben Stunde nähen? Ich habe mir eine Technik angeeignet, die eine Art Akkordarbeit ermöglicht.

Der Trick ist, mehrere Masken auf einmal zu nähen, und zwar nicht nacheinander, sondern parallel, so kann man die einzelnen Arbeitsschritte optimieren und die Produktivität insgesamt steigern. Ich mache es so: Ich zerreiße einen weichen, nicht zu dünnen, nicht zu dicken Stoff in 17 mal 34 Zentimeter große Rechtecke. Dann vernähe ich bei jedem einzelnen Stück die kürzeren Enden miteinander, sodass ein Schlauch entsteht, drehe alle Schläuche um, bügele sie in Falten – was bei größerer Stückzahl fast blind gelingt –, umkantele die offenen Seiten, sodass die Falten gleich mit befestigt werden, steppe einen Saum (gerne mit einem Zierstich, obwohl das ein verschwenderischer Luxus ist), wobei im gleichen Zug am oberen und unteren Ende des Saumes das Gummiband mit gefasst wird. 

Anlass für die Errichtung meiner Heimarbeit-Manufaktur mitsamt der bahnbrechenden Erkenntnisse über die Vorteile der Massenproduktion war die Einführung der MNS-Pflicht an den Frankfurter weiterführenden Schulen am 24. August 2020 sowie die Annahme, dass wir in der Erkältungs- und Grippesaison grundsätzlich mehr und mehr Nachschub an Virenfängern brauchen werden, denn einmal geniest, schon durchfeuchtet und mithin unbrauchbar. Also habe ich mich entschlossen, ad hoc Überfluss zu generieren. Ich werde Masken spreaden, so viele, dass immer einige in greifbarer Nähe sind, spätestens dann, wenn man das Haus verlässt.

Um nicht den Überblick zu verlieren, fand ich es geraten, eine MNS-Station an unserer Wohnungstür einzurichten. Hinter ihren Glasscheiben hängen nun die frischen „Masken“ aufgereiht an Haken in kleinen Familien, die einfarbigen für den Youngster, die gemusterten für mich – und in einem extra gekennzeichneten Behälter für Gefahrgut lassen sich die benutzten MNSe ohne Rückstände für die Umwelt verstauen. Der Alltag will organisiert sein, und dass die Virenfänger jetzt unsere Eingangstür bewachen (sichtbar von außen) dient ja vielleicht sogar der Abschreckung. Nähmaschine und Utensilien habe ich vorerst prophylaktisch stehengelassen.

Ein Glück, dass alle Waldorfschüler*innen selbst nähen können, ganze Waldorfschulen könnten in die Masken-/Massenproduktion einsteigen und diese gewinnbringend im Stundenplan verankern: gesellschaftliche Anerkennung („Ich dachte, die können nur Namen tanzen!“) und Stärkung des Zusammenhalts inklusive. Spätestens beim gemeinsamen Maskennähen erweist sich die Systemrelevanz jedes und jeder Einzelnen: Eine*r schneidet, eine*r bügelt, eine*r fädelt, eine*r näht. Solange es hilft, die Schulen kontinuierlich geöffnet zu halten, bin ich für MNS. Denn nahtlos geht heute nichts, auch keine Schulöffnung, allein die Spannung zwischen Ober- und Unterfaden – die muss erhalten bleiben, sonst hält es nicht zusammen.

Über den Autor / die Autorin

Silke Kirch

Dr. Silke Kirch ist promovierte Geisteswissenschaftlerin, Lebens- und Sozialkünstlerin und lebt in Frankfurt am Main.