Maria 2.0 gegen das Patriarchat in der Kirche

Maria schweigt. Bild: Lisa Kötter

Mitte Mai begannen in Münster Frauen aus einem katholischen Lesekreis zu streiken und reduzierten ihre Mitarbeit in der Gemeinde. Sie protestieren noch immer.

Mitte Mai begannen in Münster Frauen aus einem katholischen Lesekreis zu streiken und reduzierten ihre Mitarbeit in der Gemeinde. Sie protestieren noch immer. Maria 2.0 heißt die Initiative, die inzwischen weltweit als Graswurzelbewegung in die Geschichte der Kirche eingeht. Ihre Forderung an Papst Franziskus: Zugang für Frauen zu allen Ämtern der katholischen Kirche. Außerdem verlangen sie das Ende der Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche und deren Vertuschungen sowie die Aufhebung des Pflichtzöllibats. Sie stehen ein für Offenheit, Toleranz und Solidarität zwischen Männern und Frauen. Trotz der verheerenden Praktiken und Haltungen der Institution Kirche möchten sich die engagierten Frauen ihren Glauben nicht nehmen lassen und fordern nun ihre Rechte ein, die ihnen sowieso zustehen. Denn es gibt gar keinen theologischen Grund dagegen, dass man Frauen weiht – so auch der katholische Priester Stefan Jürgens aus Münster.

In der anthroposophischen Bewegung gehören Frauen im Priesterinnenamt seit der ersten Stunde zur Christengemeinschaft. Als im September 1922 die Gründung der anthroposophischen Christengemeinschaft im Schweizer Dornach stattfand, waren im Kreis der BegründerInnen unter insgesamt 45 Personen, die zu PriesterInnen geweiht wurden, auch drei Frauen. Das war bis dahin einmalig in der neueren Geschichte des Christentums – in der evangelisch-lutherischen Kirche trat erst 1958 die erste Pastorin ihr Amt an. In der Christengemeinschaft wird die Zusammenarbeit zwischen Priesterinnen und Priestern als segensreich und zukünftig wahrgenommen.

Frauen, die in der katholischen Kirche aktiv sind, werden jetzt auf öffentlichen Plätzen in Deutschland, den USA und Südamerika laut. Lisa Kötter, Mitinitiatorin in Münster und Künstlerin, hat zahlreiche Gesichter gemalt, Frauen, deren Münder zugeklebt sind. In einem Interview mit Perspective Daily erklärt sie: „Wir fordern, dass die Sexualmoral der Kirche, die immer noch im 19. Jahrhundert und einer total patriarchalischen Anschauung verharrt, einfach der Zeit, den Rechten und der Entwicklung der Gesellschaft folgt. Wir möchten, dass Frauen auf Augenhöhe selbstverständlich all das können und dürfen, was sie wollen – was die Männer auch dürfen und wollen.“ So etwas überhaupt fordern zu müssen, zeigt, wie rigide und veraltet die ungerechten Strukturen der Kirche sind und mit ihnen ihre Männer. Die Bischöfe sind skeptisch und viele Bistümer reagieren zurückhaltend, einige Priester bekräftigen aber auch die Forderungen der Frauen. Ob Maria 2.0 etwas am desolaten Zustand der katholischen Kirche ändern wird, bleibt abzuwarten.  

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Über den Autor / die Autorin

Andrea Kreisel

Andrea Kreisel hat Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis an der Universität Witten/Herdecke studiert und ist seit 2019 Autorin bei Info3.