Kleingehackt: Die vierte Gewalt schlägt zurück

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Ich habe die Medien-Unschuld während der Corona-Krise verloren. Davor hielt ich der Presselandschaft in Deutschland das Abbilden von Meinungs-Vielfalt zugute. Seit meinem 18. Lebensjahr hatte ich den Spiegel gelesen, meine Frau brachte Die Zeit mit in die Ehe, meine überregionale Tageszeitung ist die Süddeutsche Zeitung. Online lese ich gerne ab und zu die NZZ, die Taz, den Freitag und auch die Welt. Oft schaue ich Tagesschau, 3sat und Arte. Ich hielt mich rundum für recht gut informiert. Nach drei Tagen Corona-Berichterstattung saß ich fassungslos vor dem Fernseher und fragte meine Frau, wie es sein kann, dass mit rasant wachsenden Inzidenzen Alarm gemacht wird, ohne diese Zahlen mit jenen der gemachten Testes ins Verhältnis zu setzen. Auch die Berichterstattung in der Presse war auffallend einheitlich und Fachleute, die eine andere Sichtweise auf das Geschehen hatten als Drosten, Wieler und Co. wurden ignoriert oder diffamiert, mit Shitstorms überzogen und zum Schweigen gebracht.

Ähnlich war es zu Beginn des Krieges in der Ukraine, das stellen Richard David Precht und Harald Welzer fest. Auch sie wurden Opfer von Shitstorms, weil sie das Liefern schwerer Waffen nicht als einzige Option gelten lassen wollten. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen schrieben sie das Buch Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. Und die Medien reagieren in ihrer Kritik an dem Buch so, als wollten sie unbedingt alle darin erhobenen Vorwürfe bestätigen. Eine der zentralen Beobachtungen ist, dass man, anstatt sich auf die Argumente der Kritiker einzulassen, die Personen lächerlich macht und diskreditiert. Und siehe da, genau so ist es.

Manche wussten schon bevor das Buch überhaupt erschienen war, dass es schlecht und ganz falsch ist. Auch der langjährige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hatte sein Urteil auf Twitter schon gefällt, ehe es das Buch überhaupt zu kaufen gab: „Hände weg vom Buch! Diese zwei arroganten, selbstverliebten Hengste, die die Ukrainer verachten und keinen blassen Schimmer haben, lagen immer falsch überall, wo man falsch liegen kann. Daher: Die beiden narzisstischen Typen einfach ignorieren. Nicht kaufen.”

Und Jens Jessen von der Zeit schreibt: „Richard David Precht, … (gut aussehender) Autor und 186 Zentimeter groß. (…) Mit diesem Albumbild des Philosophen als eines schönen jungen Mannes ist es jetzt erst einmal vorbei. In der Talkshow bei Markus Lanz vor einer Woche zeigte Precht ein zornentbranntes Gesicht, eine wie kurz vor dem Weinen zitternde Lippe, fast aggressiv enthemmte Körpergesten. (…) Die beiden haben es sich durch ihr Buch Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird auf einen Schlag mit allen verdorben (…). In solchen Fällen (…) bleibt für Sendeanstalten und Zeitungen ebenso wie für soziale Plattformen im Internet nur eines: Die Persönlichkeit, die von ihnen großgemacht wurde, wird von ihnen nunmehr klein gehackt.

„Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist.“ Seit kurzem steht das Buch auf Platz 1 der Bestsellerliste. Quod erat demonstrandum. ///

Über den Autor / die Autorin

Johannes Denger

Johannes Denger ist Heilpädagoge, Waldorflehrer und Info3-Autor.