Jugendsymposion Kassel: Wie ist es ein Mensch zu sein?

Siri Hustvedt / Foto: Luigi Novi, Wikimedia Commons

Der Austausch mit Waldorfschülerinnen und -schülern zu drängenden Zeitfragen und der Kontakt mit wichtigen Denker:innen der Gegenwart – das ist schon seit längerem ein Ziel der Kasseler Jugendsymposien. Dieses Jahr wirken dabei drei prominente Persönlichkeiten mit, die unter dem Motto „conditio humana“ danach fragen, wie es ist, ein Mensch zu sein. Auch Leserinnen und Leser von info3 können vom 9. bis 11. Juni online dabeisein.

Das Kasseler Jugendsymposion hat sich seit über zehn Jahren als eine Form der Begabtenförderung innerhalb des Bundes der Freien Waldorfschulen etabliert. Zweimal jährlich organisiert das Lehrerseminar Kassel eine Veranstaltung mit ausgesuchten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Für die Teilnahme am Symposion können sich Schüler:innen der Oberstufe mit einem Essay über ein drängendes Zeitthema bewerben.

Vom 9. bis 11. Juni 2021 stehen wieder drei besondere Impulsgebende auf dem Programm des Symposions, diesmal unter dem Motto „Conditio humana”: Die US-Autorin Siri Hustvedt, der Soziologe Hartmut Rosa (Resonanz) und der Philosoph Thomas Fuchs (Das Gehirn – ein Beziehungsorgan). Gemeinsam ist allen dreien, dass sie auf je eigene Weise ein reduktionistisches Menschenbild zu überwinden suchen. „Der Ansatz des Jugendsymposions fragt nach starken Entwicklungsdynamiken in der Gesellschaft“, erläutert Organisator Wilfried Sommer das Anliegen. „Da leistet der Resonanzbegriff von Hartmut Rosa aktuell sehr viel. Es treten dort Anverwandlungsvorgänge im Zusammenklang von Mensch und Welt in den Blick. Dann gibt es die Leibphänomenologie von Thomas Fuchs, hier kommen Sein und Haben zusammen: Wir sind Leib und haben zugleich einen Körper.

Schreiben und geschrieben-werden

In der Vorbereitungszeit erschien dann gerade der autobiographische Roman Damals von Siri Hustvedt, wo sie gleich am Anfang schreibt, wie ihr klarwurde, dass sie, während sie schrieb, zugleich vom Leben selbst geschrieben wurde. Und diese Metapher: Schreiben und gleichzeitig geschrieben werden, das ist die Bildungsfigur schlechthin, die auch in der Waldorfpädagogik in der täglichen Praxis versucht wird zu realisieren.“ Das immerwährende Motiv in den Romanen und Essays der renommierten Autorin sei die Frage, wie der Mensch mit der Welt verwoben ist – darin besteht auch die Gemeinsamkeit der drei Haupt-Referent:innen.

In der Konsequenz dieses Verwobenheits-Motivs liegt gerade Siri Hustvedt viel daran, ihren Beitrag tatsächlich gemeinsam mit den anderen Mitwirkenden zu entwickeln. „Ich stehe derzeit in fortlaufendem Austausch mit ihr“, erzählt Wilfried Sommer über diesen erfreulichen neuen Kontakt. Hartmut Rosa hingegen war bereits in der Vergangenheit Mitwirkender bei einem Jugendsymposion und von den geistreichen wie lebhaften Fragen der Schülerinnen und Schüler sehr angetan. Thomas Fuchs hat ebenfalls schon Arbeitskontakte zur anthroposophischen Medizin und Waldorfpädagogik. „Waldorfpädagogik ist philosophisch gesehen ein nicht-reduktionistischer Ansatz, der Resonanzfiguren des verkörperten Selbst zu Erkenntnisfiguren des weltverbundenen Selbst werden lässt“, erläutert Wilfried Sommer, der als am Waldorflehrerseminar in Kassel wirkt und Professor an der Alanus Hochschule ist.

Von San Franzisco bis Peking

Das Symposion wird als sogenannte Hybrid-Veranstaltung in der Documenta-Halle in Kassel mit einer Obergrenze von 150 Teilnehmenden vor Ort stattfinden – mehr geht aufgrund der Corona-Beschränkungen trotz der großzügigen Räumlichkeiten nicht. „Wir haben aber aus der Not der Teilnehmerbegrenzung eine Chance gemacht und werden nun Waldorfschüler:innen aus aller Welt, von San Francisco bis Peking, dabei haben, die sich meist im Klassenverband dazuschalten werden“, freut sich Wilfried Sommer. Durch Simultanübersetzungen wird die Tagung gleichzeitig in Deutsch und Englisch stattfinden. Das auch technisch herausfordernde Setting ist durch die Unterstützung der Waldorf-Stiftung und der Software AG Stiftung möglich geworden, für die online-Teilnahme entstehen keine Gebühren. ///

Auch info3 Leserinnen und Leser können sich für das Symposion über die Webseite www.conditio-humana.de registrieren und teilnehmen. Einfach auf die Seite gehen und das Formular ausfüllen.

Ein Text aus der Mai-Ausgabe 2021 der Zeitschrift info3.

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Redaktion info3

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