„Ein Schlag ins Gesicht für Menschen mit Trisomie“

Foto: Charlotte Fischer

Behindertenverbände warnen vor ausgrenzendem Bluttest.

Seit längerem steht die Entscheidung zur Debatte, ob ein Test für Schwangere, der Babys mit Trisomie anhand einer Blutprobe der Schwangeren identifizieren kann, routinemäßig als Kassenleistung eingeführt werden soll. Die Entscheidung darüber trifft der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Da in neun von zehn Fällen eine Trisomie-Diagnose zum Abbruch der Schwangerschaft führt, haben unmittelbar vor einer Bundestagsdebatte im Vorfeld der Entscheidung Mitte April die großen Behindertenverbände in Deutschland Alarm geschlagen, darunter auch der Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen. Die Fachverbände wollen dabei vor allem „der Gefahr der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung entschieden entgegentreten.“ Weiter heißt es in der  Stellungnahme:

„Eine Regelfinanzierung von Bluttests ohne medizinische Indikation widerspricht den Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung – dies wäre aber ein verheerendes Signal für die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Gerade im zehnten Jahr nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ist es dagegen staatliche Aufgabe, für die Wertschätzung von Menschen mit Behinderung und ihren Beitrag zur Gesellschaft einzutreten, statt diese auszugrenzen und zu diskriminieren. Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung sprechen sich entschieden für das Lebensrecht aller Menschen sowie für eine verbesserte Verzahnung von ärztlicher und unabhängiger psychosozialer Beratung aus. Gesellschaftlichen Bestrebungen der Selektierung menschlichen Lebens ist entschieden entgegenzutreten.”

Die fünf Fachverbände für Menschen mit Behinderung repräsentieren rund 90 Prozent der Dienste und Einrichtungen für Menschen mit geistiger, seelischer, körperlicher oder mehrfacher Behinderung in Deutschland. Unterzeichner sind der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen, die Bundesvereinigung Lebenshilfe, die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und der Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen.

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Über den Autor / die Autorin

Jens Heisterkamp

Jens Heisterkamp, geboren 1958 in Duisburg, wuchs im Ruhrgebiet auf. Er studierte an der Ruhruniversität Bochum Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie und wurde 1988 zum Dr. phil. promoviert. Nach der Begegnung mit der Anthroposophie lernte er während seines Zivildienstes die Heilpädagogik kennen und arbeitete als Dozent in der Erwachsenenbildung, kurzzeitig auch als Waldorflehrer, dann als Herausgeber und Autor. Seit 1995 ist er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift info3 sowie Verleger und Gesellschafter im Info3 Verlag in Frankfurt am Main. Seine Themen sind Dialoge in Religion, Philosophie und Spiritualität, Offene Gesellschaft, Ethik.