Besser gleich das Grundeinkommen!

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Gegen Inflation und Teuerung geht die Regierung derzeit mit immer neuen Teil-Beihilfen an. Unser Autor hat einen anderen Vorschlag.

Von Arfst Wagner

Vor Monaten noch wurde der Spritpreis durch eine CO2-Abgabe erhöht, dann folgte, noch vor dem Ukraine-Krieg, eine weitere deutliche Preiserhöhung. Jetzt soll der Spritpreis wieder gesenkt werden nach einer Logik, die eigentlich erzwingen würde, jetzt auch über einen Lebensmittelrabatt, Mietrabatt, Heizkostenrabatt, Kulturrabatt, Buchrabatt, Speiseölrabatt, Eierrabatt usw. nachzudenken. Denn überall steigen die Preise. Da die Ölkonzerne eine relative Intransparenz in der Preisbildung walten lassen, werden sie nicht nur die Hälfte, sondern letztlich alle Kosten, die auf sie zukommen, einpreisen und – natürlich – sich auch am Tankrabatt bedienen. Ebenso wird es mit einer „Übergewinnsteuer“ für Zusatzgewinne bei Unternehmen kommen. Das ist eigentlich innerhalb unseres Systems auch gar nicht böse, man nennt das ganz einfach Kapitalismus und fast alle, die das können, tun sowas. Auch aus anderen Bereichen kommen Rufe nach Einzelmaßnahmen. So forderte die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein eine Digitalisierungsprämie für jeden Menschen in Deutschland, da sich viele die Umstellung auf die Digitalisierung nicht leisten können. Um den dissonanten Akkord noch zu erweitern: Der bisherige Umweltminister in Schleswig-Holstein, Jan-Philipp Albrecht, war sich vor einem halben Jahr mit dem Bauernverband einig, dass die Preise landwirtschaftlicher Produkte deutlich steigen müssen, wenn die umfassende Umstellung auf Ökolandbau gelingen soll.

Bemerkt eigentlich jemand, dass durch Energiegeld, Kindergrundsicherung und Tankrabatt unsystemische Bruchstücke einer Idee eingeführt werden, die in der letzten Konsequenz bei einem bedingungslosen Grundeinkommen landen? Anders wird es nämlich eine weiter zerfallende Gesellschaft geben, immer mehr extreme Aussteiger. Und was fehlen wird ist eine zeitgemäße Steuerungsmöglichkeit. Denn jede einzelne kleinteilige Maßnahme benötigt eine eigene Bürokratiestruktur und macht unser Sozialsystem mit derzeit schon an die 250 verschiedenen Leistungen immer unhandbarer, intransparenter und vor allem auch teurer. Die Ideenlosigkeit wird auch durch den Vorschlag deutlich, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wegfallen zu lassen. Dies brächte einem Durchschnittshaushalt fünf Euro im Monat und wäre durch die Inflation innerhalb eines Dreivierteljahres wieder aufgezehrt – reine Symbolpolitik.

Was auf Bundes-, aber auch auf Landesebene fehlt ist ein Organ, das diese Entwicklungen bündelt, parteiübergreifend in die Analyse geht und Wege findet, diesen Zerfall der sozialen Strukturen zeitgemäß zu resetten und zukunftsfest zu machen. Und am besten mit Sozialverbänden, Bürgerräten (die zu bilden wären), Kirchen, sozialen NGO`s, Gewerkschaften und Gleichstellungsbeauftragten in einen gesellschaftlichen Dialog darüber einzutreten, wie wir in Zukunft leben wollen. In Schleswig-Holstein war solch ein Organ 2017 im Koalitionsvertrag beschlossen und geplant, ist dann jedoch aus verschiedenen Gründen stillgelegt worden. Dabei wäre es heute wichtiger denn je. Die derzeit von der Bundesregierung betriebene kleinteilige Politik im Sozialen und das Fehlen einer thematischen Vernetzung wird uns schon bald in ein Desaster führen.

Der Autor war bis 2018 Politiker bei den Grünen. Er ist Mitbegründer der Bürgerinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen Schleswig-Holstein.

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